Müssen Schafe gewaschen werden?

Foto: Wellcome Library, London, Nr. 40081i, Credit: Wellcome Collection. Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Es ist vielleicht nicht die erste Frage, die sich Schäfer*innen heute stellen würden. Früher war das Waschen von Schafen aber ein alltägliches Problem, mit dem sich nicht nur Schäfer und Wollhändler, sondern auch Staatsbedienstete und Gelehrte beschäftigt haben. Wie wichtig dies im 18. Jahrhundert war, haben wir bei unseren Recherchen für die Ausstellung Justus Möser und das Tuchmachergewerbe in Bramsche immer wieder in den Quellen lesen können.

Justus Möser war mit Fragen der Schafhaltung vertraut. In diversen Aufsätzen, die er in den sogenannten Osnabrücker Intelligenzblättern über das Tuchmachergewerbe in Bramsche veröffentlicht hat, äußerte er sich darüber. Besonders kritisierte er die schlechte Qualität der Wolle einheimischer Schafe, die die Bramscher Tuchmacher verarbeiten mussten. Bereits 1766 stellte er fest:

„und könnte man auch dasjenige, was von den Waschen der feinen Wolle und von der Verwahrung derselben zu sagen ist, manchen nicht ohne Nutzen empfehlen. Allein, es ist zu bekannt, um es hier zu sagen.“

Justus Mösers Kenntnisse überraschen nicht. Landwirtschaftliche Fragen waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beliebter Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen. Gutsherren, Gelehrte, Landpfarrer und interessierte Laien widmeten sich ihrer Beantwortung in den neu gegründeten Landwirtschaftsgesellschaften und publizierten ihre häufig empirisch gewonnenen Kenntnisse in Büchern und Zeitschriften.

Einer der Bestseller über die Haltung von Schafen war der Katechismus der Schaafzucht zum Unterrichte für Schäfer und Schäferey-Herren des französischen Arztes und Naturforschers Louis Jean Marie Daubenton (1716–1799). Seine umfassenden Kenntnisse auf diesem Gebiet sollen den französischen Adeligen während der Französischen Revolution sogar vor der Guillotine bewahrt haben. Die 1782 auf Französisch verfasste Anleitung für Schäfer wurde nur zwei Jahre später ins Deutsche übersetzt. Auf mehr als 600 Seiten und in 15 Kapiteln werden von der Ausbildung der Schäfer über die Unterbringung, Fütterung und Zucht von Schafen bis hin zu deren Krankheiten und ihre Heilmittel zahlreiche Aspekte der Schafhaltung umfassend, didaktisch in Form von Fragen und Antworten, erläutert.

Auf die Frage „Wie verrichtet man denn das Waschen vor der Schur?“ empfiehlt Daubenton unterschiedliche Verfahren: in einem fließenden Wasser – die sogenannte Schafschwemme, in einem Waschzuber sowie unter einem Wasserfall. Die Kombination von Waschzuber und Wasserfall liegt dem Prinzip einer Vorrichtung zum Waschen von Schafen zugrunde, die er anhand eines Kupferstichs in seinem Katechismus gesondert vorstellt.

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Die Reinigung der Schafwolle war vor allem ökonomisch bedeutend. Dabei kam es vor allem auf die Perspektive an, wer von der verunreinigten Wolle profitierte. So empfiehlt Daubenton dem Schäfer das Waschen der Wolle, damit er nicht vom Wollhändler übervorteilt wird: „Denn der Wollkäufer versteht immer besser, wie er einkaufen, als der Schäfereyherr, wie er verkaufen soll.“ Im Gegensatz dazu klagte Justus Möser 1772 in den sogenannten Osnabrücker Intelligenzblättern: „Schade, ewig schade, daß die hiesigen Schäfer nicht zu einer reinern Ablieferung der Wolle angehalten werden.“ Weiter rechnete er vor, dass allein 3 Arbeiter 8 Tage bräuchten, um 100 Pfund Wolle zu reinigen.

Für Justus Möser musste die Frage der Reinigung der Schafwolle obrigkeitlich geregelt werden. Sicherlich auch auf sein Betreiben hin wurde am 18. Mai 1774 im Fürstbistum Osnabrück eine Verordnung wegen Reinigung der Wolle erlassen, mit der das Ärgernis ungereinigter Wolle behoben werden sollte. In fünf Punkten wurde das Verfahren der Schafschur geregelt. Vor allem wurde festgelegt, dass die Schafe längstens 3 Tage vor der Schafschur gewaschen werden mussten. Nur scheint die Verordnung keine Besserung bewirkt zu haben. 1779 stellt Justus Möser in seinem Aufsatz mit dem Titel Beherzigung der nächsten Schafschur resigniert fest:

„Die hohe Obrigkeit denkt wohl, wenn die Verordnung nur gedruckt ist, so geht alles gut. Aber der Himmel weiß – kein Mensch kehrt sich daran – und – doch, was geht’s mich an?“

Zwar ist das Waschen von Schafen vor der Schafschur heute nicht mehr gebräuchlich, dennoch wird man bei der Suche nach einer Waschanlage für Schafe im Internet fündig. Die Gründe sind jedoch nicht mehr ökonomischer, sondern hygienischer Natur.

Ilka Thörner
23.04.2020 – 16:57 Uhr