… da drängen sich die Bilder maskentragender Menschen auf. Schlicht in medizinisch blassem Grün oder Blau oder selbstgenäht mit schönen oder schrillen Mustern, manchmal auch künstlerisch bearbeitet. Die textilen Arbeiten, die jetzt in der Ausstellung zu sehen sind, haben jedoch ganz andere Zugänge und Bezüge in dieser Bewegten Zeit gefunden.
Wir haben uns sehr gefreut, dass einige Künstler*innen, die in den vergangenen Jahren mit Einzelausstellungen im Museum vertreten waren, sich spontan meldeten und auch weitere Wege in Kauf nahmen, um die Ausstellung mit ihren Arbeiten zu bereichern.
Elke Priess
Die erstarrte Haltung der gestickten Pose beugt sich zwar der Stickerei des Hintergrunds, ähnelt gleichzeitig aber auch der Startposition einer Läuferin – eine (noch) gebremste Dynamik. Die Ausstattung der Frau mit Highheels, kurzem Rock und Sonnenbrille wirkt schrill und wird selbstbewusst getragen. Ihre Mimik ist ernst. Sie hält die Spannung zwischen Stillstand und Aufbruch. Aber sie wird es schaffen, was auch immer sie sich vorgenommen hat.
Gertrud Schaper
Die religiöse Gestalt der Maria erscheint hier face to face im direkten Augenkontakt als eine schöne starke Frau mit einem klaren visionären Blick. Die rechte, gelb goldene Seite verweist auf sie als Himmelskönigin. Die angedeutete Krone (corona, dt. ,Krone‘), über den Augenbrauen weitet sich zu einem Heiligenschein aus. Menschen schauen zu ihr auf.
Die linke, rote Seite zeigt das, wofür Maria für mich auch steht, für Kraft und Energie. Sie hat höchste Freude und mit der Kreuzigung ihres Sohnes tiefstes Leid erlebt. Sie mahnt: sei stark, suche Wege, gib nicht auf. Stärke, Durchhaltevermögen und das Denken in Alternativen werden auch in der Corona-Krise auf lange Zeit notwendig sein.
Barbara Habermann
Wenn ich nur darf, wenn ich soll, nie kann,
wenn ich will, dann mag ich auch nicht, wenn ich muss.
Was dürfen wir, was soll ich, was will ich? Was muss sein?Sehr aktuelle Fragen zu unserem Verhalten angesichts der Pandemie. Durch beliebiges Vertauschen der Verben entsteht je ein neuer Text – verrückt, neurotisch, absurd. Es ließe sich fortsetzen, es gibt 72 Varianten. Die Verbindungen der gleichen Verben ergeben – Sprachschleifen.
Dörte Putensen
Ich hatte große Lust auf Licht, die Tage wurden wieder länger. Der Monarchfalter mit seinem leuchtenden Flügelmuster stand schon lange auf meiner To-do-Liste. Diese Wanderfalter überwinden jährlich 4500 km auf dem Flug nach Mexiko. Mariposa heißt im Spanischen ‚Nachtlicht‘. Der Tag ihrer Ankunft fällt auf den Feiertag für die Toten. Was für ein besonderes Naturereignis! Die Falter überwintern in Trauben gemeinsam, allein würden sie erfrieren. Um zu überleben, unterstützen sie sich gegenseitig durch Nähe. Trotz so großen Herausforderungen schafft es diese eher winzige Spezies immer weiter zu leben.
Für mich symbolisiert dieser Falter ein Licht in der Dunkelheit, dass unseren Weg erhellt und uns leichter durch eine Krise bringt. Wir haben die Chance trotz Schutzmaßnahmen, digital Nähe und Zusammenhalt zu erhalten oder sogar erst aufzubauen. Ein Zusammenrücken ist spürbar in unseren Familien in der Nachbarschaftshilfe. Auch wir brauchen einander zum Überleben.
Dörte Putensen
Auf einmal sind wir gezwungen inne zu halten. Kein Stress. Nicht morgens zur Arbeit fahren müssen. Später aufstehen. Zeit – ganz viel Zeit mit der Familie oder gerade mit sich allein. Wie wichtig ist da jedes Geräusch in den eigenen 4 Wänden oder in der Natur bei einem schönen Spaziergang. Ich hatte den Eindruck, ich konnte draußen viel mehr Vögel singen hören als in den anderen Jahren. War ich aufmerksamer? Was ist mit meinen Ohren? Brauchten wir diese Pandemie, um wieder achtsam unsere Sinne zu benutzen? Schau hin! Die Zeit steht ... still ...!
Hörbar ist das Knistern der Flocken im Fall. Hörbar ist alles, was da ist.
Nike Finger-Hamborg
Alle verarbeiteten Materialien stammen aus dem Nachlass meines Onkels. Seit jeher arbeite ich fast ausschließlich mit gefundenen Materialien. Die Auseinandersetzung mit ihnen, ihre Beschaffenheit und Haptik sprechen mich an und im Prozess der Bearbeitung kommen die Ideen, die Farb- und Formgebung.
Seit dem Lockdown bin ich in der Whatsapp-Gruppe „Farbe und Flausch“, in der alle künstlerisch aktiv sind. Es entstand ein spannender Austausch von einer ganz eigenen Intensität in einer Zeit, in der Vieles stillsteht, uns alle aber Vieles bewegt. Die Idee zur Bearbeitung der Maske hatte ich als jeder Masken nähte. Zeitgleich las ich in der Süddeutschen Zeitung über das erfundene Corona-Wort „Pandemimose“: Wenn man gern auch so entspannt und cool wie die anderen wäre, es aber einfach nicht geht, weil einen die Sorgen fast auffressen. So ist eine Anti-Pandemimose-Maske entstanden.