06.07.2019–08.09.2019, Ausstellung im Tuchmacher Museum Bramsche
Ausstellungseröffnung: Freitag, 05.07.2019, 19.00 Uhr
Das Bauhaus, dessen 100-jähriges Gründungsjubiläum 2019 gefeiert wird, hat einen herausragenden Platz in der Designgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Weberei, die am längsten existierende und erfolgreichste Bauhaus-Werkstatt, setzte entscheidende Impulse für die Entwicklung und Professionalisierung des Textildesigns. Gunta Stölzl (1897–1983), die am Bauhaus in Weimar studierte und von 1927 bis 1931 als erste Meisterin die Webereiwerkstatt in Dessau leitete, hat eine umfangreiche Sammlung von Entwürfen, Zeichnungen und Arbeitsproben hinterlassen. Davon inspiriert haben Studierende der Universität Osnabrück, begleitet von der Textildesignerin Lucia Schwalenberg, eine exklusive Kollektion von Wolldecken geschaffen, die auf dem 100 Jahre alten Jacquardwebstuhl im Museum gewebt werden. Der gesamte Prozess – vom Entwurf, über die Patronenzeichnung und das Schlagen der Lochkarten bis zum Weben – kann in der Ausstellung und im authentischen Maschinensaal des Museums mit verfolgt werden.
Wolldecken gehörten neben Teppichen, Möbelbezugsstoffen und anderen Heimtextilien zu den typischen Produkten der Bauhaus-Weberei. Stoffe für modische Kleidung hingegen schienen am Bauhaus kaum eine Rolle zu spielen. Doch auch hier lohnte sich ein zweiter Blick. Die Positionen etwa der Bauhaus-Meisterin Lilly Reich oder Ré Soupault, die am Bauhaus studiert hatte, zum Thema Schnitte und Stoffqualität, Massenproduktion und Modeindustrie sind erstaunlich aktuell. Ein Transformationskleid, wie es Ré Soupault 1930 entwarf, könnte heute noch manches Problem im überfüllten Kleiderschrank lösen. Die Textil- und Bekleidungswissenschaftlerin Annette Hülsenbeck, die Künstlerin Hiltrud Schäfer und ihre Studierenden haben sich mit dem Thema Bauhaus-Mode experimentell auseinandergesetzt. „Auf den zweiten Blick“ wurden Modeentwürfe und Statements von Bauhäuslerinnen entdeckt und Neuinterpretationen erprobt.
Der Ausstellung voraus gingen viele Monate der Vorbereitung. Schließlich sollten erstmals in der Geschichte des Museums selbst geschlagene Muster gewebt werden. Die dafür nötige Maschine zum Schlagen der Lochkarten stand schon lange in der Ausstellung, wurde aber noch nie benutzt. „Dass diese Maschine zum Jacquardwebstuhl passt ist wie ein Sechser im Lotto“, freute sich Textildesignerin Lucia Schwalenberg über das Ergebnis des Gutachtens. Während die Maschine repariert und die Museumsmitarbeiter geschult wurden, arbeiteten die Studierenden an der Universität Osnabrück mit den Entwürfen von Gunta Stölzl. Bereits im Juli 2018 hatte Museumsleiterin Kerstin Schumann mit Annette Hülsenbeck und Lucia Schwalenberg von der Universität Osnabrück im Archiv der Stölzl-Tochter Monika Stadler in Groningen passende Musterproben ausgewählt, die nun von den Studierenden nachgearbeitet, neu interpretiert und den technischen Gegebenheiten des Jacquardwebstuhls im Museum angepasst wurden. „Was die Studierenden hier in relativ kurzer Zeit geschaffen haben, ist wirklich erstaunlich“, zeigte sich die Museumsleiterin begeistert von der Qualität der kreativen Entwürfe.
Nun konnten sich die Museumstechniker Antonio Torres und Volker Leismann in hochkonzentrierter Arbeit daran machen, die Entwürfe Gunta Stölzls und der Osnabrücker Studierenden in Jacquardpappen zu schlagen. Schussreihe für Schussreihe müssen je 400 Positionen von der Patrone abgelesen und die Bindungspunkte in Lochungen übertragen werden. Anschließend werden die Kartenläufe am Nähbrett zusammengenäht und in das Jacquardprisma eingehängt. Für alle Beteiligten war es ein beglückender Moment, als die ersten Kartenläufe schließlich das richtige Musterbild ergaben, manchmal noch korrigiert werden mussten, manchmal auch auf Anhieb klappten.
Seit einigen Wochen entstehen nun Plaids und Schals aus Merinowolle in verschiedenen Mustern und Farbstellungen auf dem Jacquard- und dem Schaftwebstuhl. Sie werden exklusiv zur Ausstellungseröffnung im Museumsshop als Kollektion erhältlich sein. Ein neues Sortiment für das Museum. Eine neue Erfahrung auch für Besucher und Besucherinnen, die den Weg von der Inspirationsquelle, dem Entwurf, dem Kartenschlagen bis zum Weben und dem fertigen Produkt in einer anschaulichen Einheit nachvollziehen können. Ein Großteil der Wollgarne für die Produktion wird auf museumseigenen Maschinen, wie den Krempelmaschinen und dem Selfaktor, hergestellt.
Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Fach Textiles Gestalten der Universität Osnabrück.
Sie wird von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der Kreissparkasse Bersenbrück, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. sowie dem Förderverein Tuchmacher Museum Bramsche e.V. gefördert.